Mein Leben

Ich bin am 9. August 1909 in Berlin geboren als Sohn des deutschen Wissenschaftlers hugenottischer Abstammung, Walter Gérard und der berühmten italienischen Sängerin, Mafalda Salvatini.
Ich begann zu zeichnen bevor ich schreiben oder lesen konnte.

1914, zu Beginn des ersten Weltkrieges, tröstete ich meinen Vater bereits mit Karikaturen. Voller Neugier am Menschen porträtierte ich später meine Professoren, die ich meistens mit Tieren verglich. So ist es noch bis heute. Am Anfang war also die Form. Die Sehnsucht nach Farbe erfüllte sich erst mit den Reisen meiner Jugend nach Süditalien, Nordafrika und dem hohen Norden. Nach Vollendung des Gymnasiums träumte ich hauptsächlich von Griechenland und der Odyssee.

Ein Künstler etwa? Nein! Einen Beruf bitte, keine Berufung forderten die besorgten Eltern. Man entschied sich für Medizin mit starkem Akzent auf bisher zu kurz gekommene Naturwissenschaften, angereichert mit Philosophie und Logik. Der Junge muss erst mal klar denken lernen, sagte Papa und glaubte mich so für die Zukunft gut gerüstet. Aber es sollte ganz anders kommen.

Inzwischen befand man sich in Deutschland inmitten einer braunen Masse, die lärmend Unvorstellbares verkündete.

1932, in Oxford, um den Wahnsinn von aussen her zu beurteilen, atmete ich noch eine Freiheit des Denkens, die nicht nur in Deutschland verloren gegangen war. 1933 wurde meine Situation so gefährlich, dass ich Deutschland bei Nacht und Nebel verlassen musste, in Richtung Paris. So wunderbar die Sorbonne auch war, Paris selbst zog mich unwiderstehlich hin zur Malerei. Aber Pflicht gebot, mein Studium zu beenden. Konzentration dazu fand ich in meinem geliebten Basel, wo ich 1937 zum Doktor der Medizin promovierte. Kurz danach übersiedelte ich nach London, wo ich durch meine Mutter enge Kontakte zur Musik und Theaterwelt hatte. Man ermunterte mich zur Zusammenarbeit, da ich ja nicht Medizin praktizieren durfte. Damit vollzog sich eigentlich der Wandel vom Arzt zum Künstler. Später, während des Krieges, als der Mangel an Ärzten akut wurde, durfte ich endlich medizinische Hilfe leisten und, vor allem als Notarzt in Ambulanzen ein grosses Bedürfnis erfüllen.

Unter Blitz und Donner lernte ich den berühmten Regisseur Peter Brook kennen und begann, mit ihm zu arbeiten. Mitten im Kriege begegnete ich auch Oscar Kokoschka, einem wunderbaren Menschen, von dem ich so viel lernen durfte.

Kriegsende, wieder mit Peter Brook, arbeiteten wir an „Romeo und Juliet“ in Stratford upon Avon, Shakespeares Geburtsort, als ich glücklicherweise britischer Staatsbürger wurde. Gleich darauf folgte die grosse Ehre und Freude, für die Glyndebourne Oper im Dienste Mozarts zu stehen, sowohl in Sussex als auch in Edinburgh.

1950 berief mich Rudolf Bing an die Metropolitan Oper nach New York, um zur Eröffnung seines Regimes Verdi’s „Don Carlo“ zu entwerfen. Es war der Beginn einer Zusammenarbeit von über 20 Jahren, die es mir ermöglichte, jeden Sommer in Europa zu malen.

1951 heiratete ich Kyra, eine Russin. Damit eröffnete sich mir eine neue Welt und eine neue Seele: die Slavische.

1955 stellte mir Marie Cuttoli, Gründerin des Picasso Museums in Antibes, ein Atelier im Museum zur Verfügung, mit der Zustimmung des Meisters. Picasso, voller Humor, schien sichtlich erleichtert, dass ich ihn nicht kopierte. In Vallauris ging er so weit, meine Keramikversuche in seinem Ofen zu dulden. Von den im Museum entstandenen Arbeiten, die in Paris ausgestellt wurden, kaufte der französische Staat ein Öl und eine Gouache.

All das führte 1959 zu meiner Ernennung zum „Chevalier de la Légion d’Honneur“ und 1971 für meine weitere Tätigkeit in Europa und Amerika zur Beförderung zum „Officier“.

Zur selben Zeit berief mich Herbert Graf an die Genfer Oper. Er wurde aber bald sterbenskrank. Ein Schmerz, der sich noch vertiefen sollte als auch meine Frau schwer krank wurde. Sie blieb meine grosse Inspiration bis zum Ende. Nach ihrem Tode blieb ich lange wie versteinert. Als ich wieder zur Besinnung kam, musste ich Genf den Rücken kehren.
Wohin aber?

Da lächelten mir zwei Dinge zu, die ich seit 40 Jahren nicht gesehen hatte, eine Frau und ein See, hier in Ascona.